Digitale Barrierefreiheit testen

Digitale Produkte müssen regelmäßig überprüft werden, ob diese den Anforderungen der Barrierefreiheit genügen und durch Personen mit Einschränkungen genutzt werden können. Dazu können verschiedene Arten von Tests herangezogen werden.

Konformitätstests

Der Konformitätstest überprüft, ob alle Anforderungen der relevanten technischen Norm erfüllt werden. Der Ergebnisbericht zeigt die Stellen auf, an denen die Norm noch nicht erfüllt wird und gibt idealerweise Hinweise zur Behebung der Mängel.

Ein Konformitätstest sollte immer von ausgebildeten Testern durchgeführt werden. Die Ausbildung zum Tester oder zur Testerin auf Barrierefreiheit ist nicht genormt. Deswegen sollten Sie sich die Kompetenz durch Referenzen nachweisen lassen. In Deutschland relevante Organisationen und Verbünde sind:

International Association of Accessibility Professionals (IAAP)

Die International Association of Accessibility Professionals (IAAP) ist ein US-amerikanischer Berufsverband. Dieser ist international tätig und in lokale „Chapter“ untergliedert. Deutschland gehört zum Chapter IAAP DACH. Die IAAP bildet Experten aus und bietet Kurse zur Weiterqualifizierung.

Der Certified Professional in Accessibility Core Competencies (CPACC) befähigt zur Beratung zum Thema Barrierefreiheit. Personen mit einer Web Accessibility Specialist (WAS)-Zertifizierung sind qualifiziert, Websites und -anwendungen zu testen, Accessible Document Specialists (ADS) kennen sich mit barrierefreien Dokumenten, insbesondere PDF-Dateien, aus.

Viele Mitglieder der IAAP sind auch qualifiziert für den Test von Websites auf Barrierefreiheit.

BIK BITV-Prüfverbund

Die Prüfstellen des BIK Prüfverbunds nutzen das von DIAS entwickelte BIK BITV-Test Prüfverfahren. Hier werden die Websites von ausgebildeten Prüferinnen und Prüfern getestet und der Test von einer externen Qualitätssicherung abgenommen. 

So werden einseitige individuelle Bewertungen vermieden. Wenn eine Website alle Punkte der EN 301 549 erfüllt, erhält sie ein Prüfsiegel und wird in die Liste Barrierefreier Websites aufgenommen. Auf der Website des BIK Prüfverbundes finden Sie qualifizierte Prüfer und Prüferinnen.

Neben dem Testen von Webseiten bietet der BIK Prüfverbund außerdem das Testen von Apps an.

Unser Tipp: Hier können Sie sich von barrierefreien Websites inspirieren lassen und erfahren auch, welche Agenturen die Website programmiert haben.

Dieses Verfahren wurde vom Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) gefördert.

BIT inklusiv

Das Netzwerk BIT inklusiv ist ein Zusammenschluss von Organisationen, die Regelungen für das Testen von Software und mobilen Apps nach den aktuellen technischen Standards aufgestellt haben. Die Test-Verfahren inklusive Prüfschritte sind auf der Website des Netzwerks veröffentlicht.

Selbstests

Hat man ein Verständnis barrierefreier Redaktion und Webprogrammierung aufgebaut, kann man digitale Barrierefreiheit auch selbst testen. Als Selbsttest-Verfahren können wir den offengelegten Selbsttest des BIK-Prüfverbundes für Webseiten empfehlen.

Testende, die sich besser auskennen, können aber auch direkt die offengelegten Testverfahren des BIK BITV-Tests oder die BIT inklusiv Software-Testsbzw. App-Tests selbst anwenden.

Eine weitere hilfreiche Stütze kann das Naschlagewerk für barrierefreie UI-Elementder Überwachungsstelle des Bundes (BFIT-Bund) sein oder der Handlungsleitfaden zur Gestaltung barrierefreier Software sein.

Alle Testverfahren und die Handreichung beziehen sich auf die gesetzlich geforderten technischen Standards. Zum besseren Verständnis werden diese mit zusätzlichen Informationen angereichert.
Hilfreich beim Selbst-Testen können auch Werkzeuge sein. Werkzeuglisten gibt es beim BIK-Prüfverbund für Web und des BITI-Netzwerks für Software. Auch wir haben einen Artikel geschrieben, welche Prüfwerkzeuge wir zum Testen von Webseiten empfehlen können.

Kurztests

Kurztests können helfen, einen schnellen Überblick über den Status digitaler Barrierefreiheit einer Webseite zu erhalten. Folgende Kurztest wir empfehlen: Easy Checks des des BIK-Prüfverbundes und Kurztest-Checkliste der Aktion Mensch.

Vorsicht! Kurztests repräsentieren nicht die vollständigen Anforderungen der digitalen Barrierefreiheit. Sie dienen als eine erste Orientierung.

Automatisierte Tests

Neben dem umfassenden BITV-Test gibt es zahlreiche Anbieter mit automatisierten Testmethoden. Diese prüfen in der Regel formale Kriterien ab, z. B. ob für Bilder Alternativtexte angegeben sind. Qualitative Fragestellungen, z. B. ob die Alternativtexte für Bilder sinnvoll sind, können automatisierte Systeme (noch) nicht testen.

Der Vorteil eines automatisierten Tests ist, dass alle Seiten der Webauftritts getestet werden können. Bei einem manuellen Test treffen die Prüfer eine qualifizierte Seitenauswahl. Dafür können automatisiert nur rund 20 der 100 Kriterien der EN 301 549 korrekt getestet werden. Die Tools sind ein guter Einstieg, um zu sehen, wie der aktuelle Stand Ihrer Website ist.

Nächster Schritt: Nutzertest

Neben den bisher eher formal-orientierten Testmöglichkeiten liefert ein Nutzertest zusätzlich eine Aussage darüber, ob der individuell Betroffene auch wirklich mit der angebotenen barrierefreien Software praktisch arbeiten kann. Formale Barrierefreiheit reicht allein nicht aus. Gerade die Benutzerfreundlichkeit (Usability) anhand der Bedienbarkeit ist durch die steigenden Ansprüche für Menschen mit Behinderung zu berücksichtigen und ggf. zu verbessern. Deshalb wäre es sinnvoll und auch wünschenswert, nach einem erfolgreichen Konformitätstest (formale Prüfung) zusätzlich einen Nutzer-Test (praktische Prüfung) durch ausgewählte Menschen mit Einschränkungen durchführen zu lassen. Begleitet und moderiert wird der Nutzertest durch einen Testleiter mit erweiterten Fähigkeiten in der Kommunikation zwischen den Betroffenen und der Fachseite.

Nutzertests liefern Antworten auf die Frage: Können Menschen mit Einschränkungen die formal geprüfte Website auch wirklich nutzen? Dazu gehört:

  • Ist die Menüführung nachvollziehbar und nutzerfreundlich bedienbar?
  • Werden wichtige Informationen zügig gefunden?
  • Sind Texte und Grafiken verständlich und übersichtlich aufbereitet?
  • Gibt es Stellen, an denen die Nutzenden nicht ohne Hilfe weiterkommen?
  • Macht es Spaß, das Web-Angebot zu nutzen?