25.08.2024

Ein weiterer Schritt in Richtung Inklusion - die Neuerungen der WCAG 2.2

Digitale Barrierefreiheit

Stiftung Pfennigparade
Computer mit Webseite der WCAG 2.2

Stiftung Pfennigparade

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind ein internationaler Standard für die Barrierefreiheit von Webinhalten. Sie wurden vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt und regelmäßig aktualisiert. Nach WCAG 2.0 im Jahr 2008 folgte WCAG 2.1 im Jahr 2018. Mit der Veröffentlichung von WCAG 2.2 im Oktober 2023 wurden wichtige Aktualisierungen vorgenommen, die die Barrierefreiheit im Internet für Menschen mit Behinderung weiter verbessern sollten.

Warum sind die WCAG wichtig?

Die WCAG sind Richtlinien, die sicherstellen, dass Webinhalte für alle Menschen zugänglich sind, unabhängig von ihren Fähigkeiten. Sie sind in vier Prinzipien unterteilt: Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit. Jedes Prinzip enthält Richtlinien, die durch testbare Erfolgskriterien konkretisiert werden.

Die Prinzipien und Richtlinien der WCAG wurden in vielen Teilen in die europäische und somit deutsche Gesetzgebung übernommen. Insbesondere die relevante technische Norm für digitale Barrierefreiheit in Europa, die EN 301549 (v 3.2.1), verweist in weiten Teilen direkt auf die WCAG 2.1. Es ist damit zu rechnen, dass die neuen Kriterien der WCAG 2.2 in der nächsten Aktualisierung der EN übernommen werden.

WCAG 2.2: Was ist neu?

Die WCAG 2.2 bauen auf den WCAG 2.1 auf und führen neue Erfolgskriterien der Konformitätsstufen A oder AA ein, die die Barrierefreiheit in verschiedenen Bereichen verbessern.

Fokus nicht verdeckt - (Kriterium 2.4.11):

Stellt sicher, dass interaktive Elemente wie Schaltflächen oder Links nicht durch eingeblendete Inhalte, wie Cookie-Banner, verdeckt werden, wenn sie mit dem Tastatur- oder Mausfokus darübergehen.

Ziehbewegungen (2.5.7):

wenn Funktionen eine Ziehbewegung erfordern (Drag & Drop), muss diese Bewegung eine Alternative haben, die mit klicken oder tippen funktioniert.

Zielgröße (2.5.8):

Legt eine Mindestgröße für klickbare Bereiche fest, um die Bedienbarkeit zu verbessern. In der in der Konformitätsstufe AA ist das eine Mindestgröße von 24x24 Pixeln.

Konsistente Hilfe (3.2.6):

Stellt sicher, dass Hilfsfunktionen immer gleich beschrieben und platziert sind, wenn sie auf mehreren Seiten einer Website verfügbar sind.

Redundante Eingabe (3.3.7):

Verhindert, dass Benutzer aufgefordert werden, dieselben Informationen im selben Prozess mehrmals einzugeben.

Barrierefreie Authentifizierung (3.3.8):

Authentifizierungsprozesse um etwa ein Formular abzuschicken, wie beispielsweise die Lösung einer mathematischen Gleichung, können für manche Personengruppen kognitiven Barrieren darstellen. Hierfür sollte eine Alternative oder Unterstützung beim Lösen angeboten werden.

Weitere Neuerungen

Der Prüfschritt der HTML-Prüfung (Parsing) fällt mit der WCAG 2.2 weg. Außerdem gibt es neben den neuen Kriterien der Stufen A und AA auch Neuerungen im Bereich AAA. Da diese vermutlich nicht in die Kriterien der EN301549 Einzug halten werden, führen wir Sie nicht extra auf. Weitere Erklärungen zu den hier erwähnten Erfolgskriterien sowie Informationen über die AAA-Kriterien der WCAG 2.2 finden Sie auf der Webseite des Bundesministerium des Innern und für Heimat.

Abwärtskompatibilität

WCAG 2.2 ist abwärtskompatibel, was bedeutet, dass Websites, die WCAG 2.2 entsprechen, auch WCAG 2.1 erfüllen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass WCAG 2.2 zusätzliche Anforderungen stellt, die über WCAG 2.1 hinausgehen.

Die WCAG 2.2 jetzt schon anwenden

Wie schon erwähnt, wurden die Neuerungen noch nicht in europäisches Recht überführt. Erwartet wird eine Erneuerung der EN 301549 im Amtsblatt der Europäischen Union voraussichtlich erst Ende 2025/Anfang 2026.

Will man trotzdem jetzt schon eine zukunftssichere Webseite inklusive der neuen Kriterien WCAG 2.2 umsetzen, können wir das Testverfahren des BIK-Prüfverbundes empfehlen, welches die Kriterien der BITV 2.0 und die neuen Kriterien der WCAG 2.2 in einem gemeinsamen Prüfkatalog zusammengefasst haben. Dieses Verfahren eignet sich außerdem, um die gesetzlich geforderten Kriterien besser zu verstehen. Mehr dazu haben wir auf unserer Webseite im Bereich Barrierefreiheit testen geschrieben.

Fazit

Die Einführung von WCAG 2.2 ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer inklusiveren digitalen Welt. Durch die Berücksichtigung dieser neuen Kriterien können Entwickler und Designer sicherstellen, dass ihre Webinhalte für alle zugänglich sind.

Die Entwicklungen gehen aber natürlich auch nach der WCAG 2.2 weiter. Bereits wird an einem größeren Update zur WCAG 3.0 gearbeitet. Diese werden Inhalte aus Richtlinien für die Barrierefreiheit von Benutzeragenten 2.0 (UAAG20) und Richtlinien für die Barrierefreiheit von Autorentools 2.0 (ATAG20) enthalten und diese teilweise erweitern. Inwieweit diese Neuerung allerdings Einzug in die europäische und deutsche Gesetzgebung halten werden, ist bislang nicht absehbar.

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